Bei Familie Lorenz kräht kein Hahn mehr
Schluss mit ländlicher Idylle in Schafflund: Anonymes Schreiben um „zu lautes“ Tier sorgt für Wirbel und Unverständnis
Große Gewächshäuser, Hochbeete, Obstbäume, Beerensträucher und riesige Königskerzen fallen sofort ins Auge, sobald man den großen Garten betritt. Hier in Schafflund, mitten im Wohngebiet, haben sich Patrick und Anna Lorenz in den letzten zehn Jahren eine Oase geschaffen, in der sie mit ihren Kindern Emilie (9) und Elenor (3) ihre Naturverbundenheit ausleben können.
„Wir versuchen, gesund zu leben und dafür unseren Garten zu nutzen“, sagt Anna Lorenz. „Im Sommer spielt sich unser Leben fast nur draußen ab“, erzählt Patrick Lorenz. Sowohl drinnen als auch draußen steht eine Küchenhexe zum Kochen – trotzdem wird natürlich auch die moderne Küche genutzt. In jeder Ecke des Gartens entdeckt man etwas Neues, seien es die unterschiedlichen Kartoffelsorten, Erdbeeren auf der Steinmauer, Wein an der Holzwand oder Experimente mit Topinambur im Topf auf der Terrasse. „Aus Spitzwegerich oder Kräutern mache ich selbst Hustensaft für die Kinder“, erklärt Anna und ergänzt mit Blick auf den großen Spielbereich: „Schön, dass die Kinder so aufwachsen dürfen.“ Aber es ist auch viel Arbeit, die gewuppt werden muss, schließlich sind beide Eltern voll berufstätig. Doch zu ihrer Selbstversorgung zählen nicht nur Obst und Gemüse, nein, für stets frische Eier sorgen die Hühner.
Dazwischen werden Mastküken gehalten für die Fleischversorgung, und in einem zweiten Gehege laufen zwei Puten, die ebenfalls irgendwann geschlachtet werden. Patrick und Anna Lorenz sind beide so aufgewachsen, dass für sie auch das Schlachten zur Normalität gehört, wenn man Fleisch essen will. Sie sind nicht die einzigen, die in diesem Wohngebiet Hühner halten. Aber dann flattert plötzlich per Post ein Brief ins Haus – anonym. Darin werden sie aufgefordert, für eine „Unterlassung des Krähens zumindest am frühen Morgen zu sorgen.“ Von Rücksichtslosigkeit und Respektlosigkeit ist die Rede, „ein zukünftiger Nachbarschaftsstreit ist doch hoffentlich nicht in Ihrem Sinne.“ „Nach dem Schreiben haben wir die Masthähne gleich in den Stall gesperrt und nur tagsüber mal rausgelassen“, erzählt Anna Lorenz. Jetzt liegen die Masthähne in der Tiefkühltruhe, wurden ein paar Tage später gleich geschlachtet – so wie es ja ohnehin vorgesehen war. Was beide jedoch überhaupt nicht verstehen können: „Warum kommt man nicht einfach vorbei und spricht mit uns?“
Viel Solidarität für die Familie
Sie wissen nicht, wer den Brief verfasst hat, befragte Nachbarn hatten keine Ahnung, und so veröffentlichten sie den Text bei Facebook. Was folgte, war eine Welle der Solidarität, mit ihnen und dem Hahn. Darin wird Unverständnis geäußert, sowohl zur Anonymität des Verfassers als auch zur Sache an sich. Man lebe nun einmal auf dem Dorf, das Krähen eines Hahns würde nicht mehr stören als das Bellen von Hunden, für manche gehört ein Hahnenschrei einfach zum Landleben dazu. Anna Lorenz erzählt, dass ihre Hühner normalerweise ohne Hahn laufen, sie brauchen ihn nicht, um Eier zu legen. Als Leittier übernimmt er eine soziale Funktion, der auch eine Henne gerecht werden könne. „Seit etwa sieben Jahren haben wir Hühner und Mastküken, aber es gab noch nie Beschwerden.“ Patrick Lorenz erklärt, dass in diesem Fall die drei Masthähne ein paar Wochen länger als gewohnt aufgezogen wurden, einer von ihnen deshalb zu krähen angefangen habe. Doch auch in der Nachbarschaft gebe es krähende Hähne, was bisher nicht zu Konflikten geführt habe. Am stärksten betroffen gemacht habe ihn die Art und Weise, eine Beschwerde namenlos per Post zustellen zu lassen: „Es wären vielleicht fünf Minuten Gespräch an der Tür gewesen, um eine Klärung herbeizuführen.“
Quelle - SHZ Helga Böwadt
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