Ein extra über Schafflund aus der SHZ
Bewahren und Verändern
Die Balance zu halten zwischen Bewahren und Verändern gehört zu den großen Aufgaben einer dörflichen Gemeinde. In Schafflund scheut sich die Kommunalpolitik nicht, große Veränderungen in Angriff zu nehmen. Bestes Beispiel ist Schafflunds Mitte, die, sobald alle Baumaßnahmen erfolgt sind, ein komplett neues Gesicht erhält. Gerade wurde der Kreisel fertiggestellt, ein Projekt, das die Gemeindevertretung seit 2015 in Atem gehalten hat. „Es war ein mühsamer Weg“, sagt Bürgermeisterin Constanze Best-Jensen. Lange Verwaltungswege und eine Kostenexplosion führten im ersten Anlauf zu einem Stopp. „Aber wir haben immer gesagt, der Bau ist nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben.“ Während der monatelangen Bauphase in diesem Sommer, mit erheblichen Einschränkungen für Bürger und Gewerbetreibende, wurde die Bürgermeisterin nicht nur in etlichen Baubesprechungen mit unvorhersehbaren, zeitverzögernden Ereignissen konfrontiert, nein, zusätzlich kamen Anfeindungen und Unterstellungen von verschiedenen Seiten. Seit 2013 ist Best-Jensen Bürgermeisterin, aber „der Kreisverkehr war die größte Herausforderung – anstrengend und teilweise sehr schlimm.“ Jetzt fließt der Verkehr gleichmäßig in alle Richtungen und Anwohner der Nordhackstedter Straße wie Maren Steinberg können wieder ihre Fenster öffnen, weil der „ständige Stau vor der Kreuzung, bevor der Kreisverkehr kam, endlich ein Ende hat.“ Doch auch das Umfeld des Kreisels ist im Wandel begriffen. „Eine schreckliche Feuersbrunst hat gestern das zweieinhalb Meilen westlich von Flensburg an der Landstraße nach Leck gelegene Dorf Schafflund heimgesucht“, schrieb das Flensburger Tageblatt am 29. April 1884. 14 Häuser brannten damals nieder und 100 Personen wurden obdachlos. Beim Wiederaufbau entstanden die typischen langgestreckten Häuser mit Giebel und ohne Reetdach, die das Ortsbild prägten, und von denen heute noch so einige die Straßen säumen. In starkem Kontrast dazu wurden vor wenigen Jahren drei mehrgeschossige Wohnblocks errichtet, und das geplante Gesundheitszentrum auf der gegenüberliegenden Seite wird ebenfalls in die Höhe ragen. Neben diesen Veränderungen gibt es jedoch zahlreiche Bemühungen, das Bestehende zu bewahren. So ist das Mühlenensemble mit der Wassermühle und der reetgedeckten Mühlenscheune ein Schmuckstück am Mühlenteich, erweitert durch den angrenzenden Bürgerpark als Naherholungsgebiet. Das Schwimmbad Waldeck wird konstant in Schuss gehalten, und die Schule wurde gerade umfassend energetisch und optisch saniert. Die Freiwillige Feuerwehr kann auf ihre erfolgreiche Geschichte bis 1886 zurückblicken. Ein eigenständiges Wegenetz für Fußgänger und Radfahrer als Verbindung zwischen den Straßen wird nach wie vor gepflegt. Schlussendlich sind es engagierte Menschen, die in zahlreichen Vereinen, Verbänden und der Kirche aktiv sind. Sie bewahren das dörfliche Leben, indem sie einerseits kulturelle und sportliche Angebote für jede Altersgruppe vorhalten, andererseits das gesellige Zusammensein regelmäßig initiieren und zu Veranstaltungen und traditionelle Feiern einladen. Die Gemeinde unterstützt diese Aktivitäten durch eine eigens eingestellte Netzwerkerin, um das Leben in Schafflund lebenswert zu erhalten.
Das Wappen
Schafflund heißt auf Dänisch Skovlund und skov bedeutet Wald. Nun findet sich auf dem Wappen von 1981 zwar kein Wald, aber eine bewurzelte grüne Buche mit vier Fruchtständen erinnert daran, dass die Schleswigsche Geest einmal bewaldet war. Der blaue Fisch symbolisiert den Fischreichtum im Fließgewässer des Meyner Mühlenstroms und der Wallsbek, die sich zum Schafflunder Mühlenstrom verbinden. Auf die überregionale Bedeutung Schafflunds in vergangenen Jahrhunderten weist das Mühlrad hin. In der Schafflunder Wassermühle wird zwar heute kein Getreide mehr gemahlen, doch das Rad dreht sich inzwischen wieder, um Strom zu erzeugen.
Einwohner
Schafflund ist eine Gemeinde, die stetig wächst. Kaum sind in einem Baugebiet alle Häuser errichtet, wird bereits die nächste Fläche erschlossen – und der Ansturm auf die Bauplätze ist enorm. Aktuell leben 2899 Bürger in der Gemeinde. Der Zuzug vieler junger Familien – oder deren Rückkehr ins Heimatdorf – sorgt für einen großen Bedarf an Betreuungseinrichtungen. Der Dänische Kindergarten verfügt über drei Gruppen, die beiden Evangelischen Kindergärten insgesamt über 15 Krippen- und Regelgruppen, sodass insgesamt 297 Kinder in den Kitas betreut werden. 55 Schulkinder gehen in die Dänische Schule, 603 besuchen die Grund- und Gemeinschaftsschule. Die älteren Bürger finden seniorengerechte Wohnungen vor, unter anderem sechs Wohneinheiten der Gemeinde, und in Kürze werden weitere neben dem Tagestreff gebaut. Kleine und mittelständische Betriebe behalten ihre Standorte entweder mitten im Dorf, oder sie siedeln sich in den Gewerbegebieten an. Gerade wurde die Erschließung des neuen Gebietes „Schneewallacker“ abgeschlossen – alle Grundstücke sind verkauft. Die politischen Entscheidungen fallen in der 13-köpfigen Gemeindevertretung mit folgender Zusammensetzung: 7 Sitze Schafflunder Wählergemeinschaft (SWG), 4 SPD und 2 SSW. Bürgermeisterin ist seit 2013 Constanze Best-Jensen (SWG).
Durchgefahren
In der Saison schiebt sich eine wahre Blechlawine durch Schafflund. Ziel der Autofahrer aus ganz Deutschland und dem Ausland sind die Inseln, speziell ist es der Autozug nach Sylt, der termingerecht erreicht werden muss – manchmal auf Kosten einer angemessenen Geschwindigkeit und Rücksichtnahme. Und so nimmt der Tourist bei seiner Durchfahrt einerseits die Supermärkte an den Ortsausgängen wahr, um letzte Einkäufe zu erledigen, andererseits sind es zwei markante Gebäude, die zu einem Stopp einladen. Da fällt rechterhand das schmucke „Storchennest“ ins Auge, und auf der linken Seite lädt der Landgasthof „Utspann“ zu einer Verschnaufpause im Restaurant oder Biergarten ein. Aber es sind nicht nur die Urlauber, die für einen dichten Verkehrsfluss sorgen, denn die B 199 ist zugleich eine wichtige Verkehrsader für Pendler in Ost-West-Richtung und umgekehrt. So ist es oft zeitraubend, sich als Einheimischer dort einzufädeln, doch durch den Kreisel wurde im August an der Kreuzung Abhilfe geschaffen – und nun läuft es im wahrsten Sinne des Wortes für alle Beteiligten an dieser Stelle ohne Wartezeit richtig rund.
Typisch
Bereits Ende der 1990er Jahre entstand Schafflunds bekannter Slogan „Dorf für Kinder – Dorf für alle“, eingebettet in den Dorfentwicklungsplan „Dorf mit Zukunft“. Damals schon stand die Partizipation im Mittelpunkt, deshalb waren vor allem die Kinder aufgerufen, sich an der Planung ihrer Schulhöfe sowohl an der dänischen wie auch der deutschen Schule zu beteiligen. Nach über 20 Jahren standen jetzt aktuell die 18 Spielplätze der Gemeinde im Fokus. Einige waren in die Jahre gekommen und wurden nach den Wünschen der Kinder neu gestaltet, ebenso erhielt der Schulhof der Grund- und Gemeinschaftsschule aufwändige Klettergerüste und zeitgemäße Spielmöglichkeiten. Umfassende Angebote zur Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen kommen vom Jugendclub, Sportverein, Angelverein und dem Schwimmbad Waldeck. Doch es gilt nach wie vor auch der zweite Teil des Slogans. Um die Interessen der älteren Einwohner kümmern sich unter anderem der Seniorenbeirat, die Kirche und die Vereine. Viele Veranstaltungen finden auch von der Gemeinde oder dem Sozialverband statt. Mit Sozialstation, Tagestreff, Kümmerer und dem Mittagessen in Gemeinschaft finden die Bedürfnisse der Senioren unterschiedlichen Alters Berücksichtigung.
Das Wahrzeichen – die Wassermühle
Zwischen dem üppigen Bewuchs an der Fischtreppe glitzert das Wasser des Schafflunder Mühlenstroms in der Sonne, das große Schaufelrad dreht sich unermüdlich und lässt das Wasser gleichmäßig rauschen – das Wahrzeichen Schafflunds, die alte Wassermühle, präsentiert sich am Mühlentag im September von seiner besten Seite. Interessierte Besucher verweilen auf dem neuen Plateau, von dem aus man sowohl das Mühlengebäude als auch Mühlenscheune und Bürgerhaus gut im Blick hat. Inmitten des gesamten Mühlenensembles ragt eine mächtige Eiche empor und beschattet das alte Kopfsteinpflaster. Bereits im 14. Jahrhundert wurde die Wassermühle errichtet und erlebte seither eine wechselvolle Geschichte. Über die historische Entwicklung und die technischen Veränderungen bis hin zur aktuellen Stromerzeugung erfahren die Besucher durch die Mitglieder des Bürgervereins. Der Sparte Wassermühle mit ihren engagierten Ehrenamtlern, die sich täglich um die Wartung kümmern, ist es zu verdanken, dass sich das Mühlenrad verlässlich dreht – und Einheimische wie Besucher davon fasziniert sind.
Die dänische Minderheit
Das weit über die Region bekannteste Gesicht Schafflunds war Karl Otto Meyer. Bevor er als Politiker im Landtag den SSW leidenschaftlich vertrat, arbeitete er als Redakteur für Flensborg Avis und als Journalist. In seinem Heimatort prägte er über viele Jahre als Schulleiter der dänischen Schule Skovlund-Valsbøl die Entwicklung seiner Schüler. Die Schule und der dänische Kindergarten sind bis heute zentrale Einrichtungen der dänischen Minderheit. Else Marie Rieks-Pedersen, selbst langjährige Schulleiterin, erzählt an einem Beispiel, wie gemeinsame Aktivitäten aussehen: „Am Naturens Dag fand nach einem Gottesdienst eine Wallsbek-Autal-Tour mit Stefanie Dibbern statt – mit einem geselligen Abschluss und dem Pflanzen von Blumenzwiebeln.“ Beteiligt waren sowohl die Kirchengemeinde als auch der lokale Kulturverein SSF (Sydslesvigsk Forening). Geselligkeit wird vor allem für die Älteren großgeschrieben. Zusammen mit anderen betreut die 70-Jährige seit vielen Jahren den Åldre-Club. Sie lacht: „Ich backe immer die Boller.“ Das gehöre traditionell dazu, ebenso das Singen. Ob Syssel-Club, in dem kleine Handarbeiten gefertigt werden, Leseclub oder Filmabende – wichtig sei der Spaß, den alle haben, wenn sie sich im Versammlungshaus treffen. Während der Corona-Zeit wurde der Kontakt mit Briefen und kleinen Geschenken aufrechterhalten, und „dafür waren alle sehr dankbar.“ Ein Treffpunkt für Groß und Klein sind die alljährliche Sankt-Hans-Feier zur Sonnenwende, das Jahrestreffen „Årsmøde“ und traditionelles gemeinsames Essen, das „Fællesspisninger“, genauso der „Lebendige Adventskalender“, bei dem die Lucia-Mädchen singen. Die Erinnerung an das Wirken von Karl Otto Meyer bleibt, aber sein Wohnhaus in Schafflund wird nun abgerissen. Der dänische Schulverein hat das Grundstück neben dem Kindergarten gekauft, um mehr Spiel- und Parkmöglichkeiten zu schaffen.
Geocaching – die moderne Schnitzeljagd
Wer zu den „Muggles“ gehört, kennt in Schafflund keine geheimnisvollen Verstecke. Als „Muggles“, ein Begriff aus der Harry-Potter-Welt, werden Menschen bezeichnet, die kein Interesse am Geocaching haben und deshalb gern ahnungslos bleiben dürfen. Beim Geocaching geht es darum, in der Natur Verstecke aufzuspüren, in denen ein kleiner Cache liegt. Das ist zumeist ein wasserdichter Behälter, in dem ein Logbuch untergebracht ist, in das sich der Entdecker einträgt. Die Jagd nach Caches begeistert inzwischen immer mehr Familien und Ältere, nicht zuletzt durch die Buchveröffentlichungen von Bernhard Hoëcker, der als bekennender Geocacher gilt. Will man das neue Hobby für sich entdecken, lädt man lediglich eine kostenlose App auf sein Smartphone, registriert sich – und schon kann es losgehen. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad sucht man die eingetragenen Standorte, lässt sich von den Tipps ins Gelände führen und entdeckt dann hoffentlich die mit viel Kreativität positionierten Caches – und davon gibt es in Schafflund schon einige. Viele Urlauber richten ihre Ziele inzwischen in ganz Deutschland und überall auf der Welt nach möglichen Suchorten aus. Soll es ein wenig komplizierter werden, kommen Multi-Caches ins Spiel. Hier gilt es, Aufgaben zu lösen, die Hinweise auf den jeweils nächsten Cache ergeben und am Ende zum großen Finale führen. Interessant ist auch der Wandertrail-Cache „Zwischen den Meeren“, der direkt durch Schafflund führt und so manche Überraschung bietet. Wer einmal von der modernen Schnitzeljagd infiziert ist, den lässt die Herausforderung kaum noch los, zumal hier Bewegung in der Natur und Spaß am Entdecken und Knobeln eine familienfreundliche Allianz eingehen.
Das „Storchennest“
Das reetgedeckte Haus mit seiner Blütenpracht im Vorgarten ist ein echter Hingucker. Selbst Durchfahrende können das „Storchennest“ nicht übersehen, liegt es doch direkt an der Hauptstraße und lädt zu „Bed & Breakfast“ ein. Und wer hier übernachtet, spürt vielleicht die jahrhundertealte Geschichte dieses Hauses, schließlich prangt oben am Giebel das Jahr der Erbauung: Anno 1666. Berühmt wurde es weit über Schafflund hinaus, als sich der „Rabauke“ in der Nachbarschaft austobte, ein männlicher Storch, der es mit den üblichen Gepflogenheiten nicht so genau nahm und Fensterscheiben attackierte, statt sich um seinen Nachwuchs zu kümmern. „Seit 1962 gibt es detaillierte Aufzeichnungen zu den Schafflunder Störchen“, erzählt Dörte Stielow. Das große Storchennest auf einem alten Schornstein hinter dem Haus war immer ein beliebter Nistplatz für Störche und ohne Unterbrechung stets besetzt, fast 100 Jungstörche wurden hier aufgezogen. Doch nachdem der „Rabauke“ mit seiner Partnerin 2018 zum letzten Mal das nördlichste Storchennest Deutschlands aufsuchte, wurde es still. „Er war unberingt“, sagt Dörte Stielow. „Vermutlich ist er irgendwo verunglückt.“ Dabei hatten sie und ihr Mann Johannes Weinand eigens eine Fütterungsanlage für den Schornstein bauen lassen, weil das Nahrungsangebot für Störche immer geringer wird. Doch das Nest blieb auch in diesem Jahr wieder unbesetzt, wurde zwar von verschiedenen Störchen angeflogen, aber nicht in Besitz genommen.
Quelle - SHZ Helga Böwadt